Kompetenzen in der Arbeitswelt 4.0
Der Begriff der Kompetenzen gewinnt in der Arbeitswelt 4.0 eine immer größere Bedeutung: Wir stehen mit der Digitalisierung einem tiefgreifenden Wandel in der Gesellschaft, Technologien, Innovationen…
In meinem ersten Blogbeitrag habe ich über die Kompetenzen in der Arbeitswelt 4.0 geschrieben – speziell über die Kompetenzen aus privaten Lernorten und die Übertragung auf den Arbeitsplatz. Neben all den Chancen und Vorteilen, die das für Mitarbeiter/-innen und Unternehmen bedeutet, stellt die Messbarkeit von Kompetenzen für Führungskräfte am Arbeitsalltag oft eine Herausforderung dar. Woran erkennt demnach eine Führungskraft, dass Mitarbeiter-/innen Kompetenzen an privaten bzw. informellen Lernorten erworben haben und woran machen sie fest, wie stark die Entwicklung ausgeprägt ist?
Gegenwärtig befinden wir uns inmitten einer großen Veränderung der Arbeitswelt. Um die stetigen Veränderungen mit all ihrer Komplexität und Herausforderungen zu meistern, ist ein ständiges Lernen aller Akteure erforderlich. Das Lernen erfordert einen neuen Stellenwert und auch eine neue Lernkultur. Das wichtigste Produkt dieses Lernens sind Kompetenzen, die das selbstorganisierte soziale Handeln ermöglichen. Diese neue Lernkultur, die sich entwickelt, misst dem informellen Lernen außerhalb der Weiterbildungseinrichtungen, wie z. B. der Elternschaft, der Pflege von Angehörigen sowie Ehrenamt oder Sport, einen hohen Stellenwert ein; das selbstorganisierte Lernen nimmt bald einen höheren Stellenwert ein, als das fremdgesteuerte Lernen.
Schon seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit der Frage nach der Bemessung von Kompetenzen. Mitarbeiter/-innen verfügen über entscheidende und teilweise auch herausragende Kompetenzen. Wie kann man diese nun bemessen oder greifbarer machen?
In vielen Unternehmen, Organisationen oder Institutionen gibt es Mitarbeiterbeurteilungen oder Potenzialeinschätzungen in unterschiedlichen Rhythmen und Formen – analog und digital -, teilweise mit unterschiedlichen Zielen und Akteuren. Andere Unternehmen verwehren sich diesem aus bestimmten Gründen.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Begriff der Kompetenzen und deren Messbarkeit sehr komplex ist. Zwar beschäftigen wir uns tagtäglich mit dem Kompetenzbegriff und tauschen uns diesbezüglich aus, aber so ganz klar ist es nicht, wie „Kompetenz“ begrifflich gefasst und messend zugänglich gemacht werden kann.
„Es wäre verfehlt, auf ein einheitliches Verständnis zu hoffen, auf allgemein verbindliche Charakterisierungen und Messverfahren zu warten. Dazu sind die Phänomene, auf die der Begriff verweist, zu komplex und die Gebiete, in denen er Bedeutung gewinnt, zu vielfältig. Doch zeichnen sich in den letzten Jahren zunehmend verbindende und gemeinsame Vorgehensweise ab“¹.
Es gibt sehr unterschiedliche Messverfahren. Diese Messverfahren unterscheiden sich durch mehrere Faktoren. Zunächst unterscheiden sie sich nach den grundlegenden Kompetenzklassen²:
Die Person kann sich selbst einschätzen und produktive Einstellungen, Werthaltungen, Motive und Selbstbilder entwickeln sowie eigene Begabungen, Motivationen und Leistungsvorsätze entfalten und sich innerhalb, als auch außerhalb der Arbeit kreativ entwickeln und lernen.
Bei den aktivitäts- und umsetzungsorientierten Kompetenzen handelt eine Person aktiv und gesamtheitlich selbstorganisiert für sich selbst oder für andere. Sie kann die eigenen Emotionen, Motivationen, Fähigkeiten und Erfahrungen in die eigenen Willensantriebe integrieren und Handlungen erfolgreich realisieren.
Mit fachlichen und instrumentellen Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten löst eine Person kreativ Probleme; sie kann Wissen sinnorientiert einordnen und bewerten, gestaltet Tätigkeiten, Aufgaben und Lösungen methodisch selbstorganisiert und kann Methoden selbst kreativ weiterentwickeln.
Die Person kann sich mit anderen kreativ auseinander- und zusammensetzen, sich gruppen- und beziehungsorientiert verhalten und neue Pläne, Aufgaben und Ziele entwickeln.
Neben den Kompetenzklassen gibt es auch Kompetenzgruppen, die mit den Kompetenzklassen korrespondieren. Ohne zu lange ins Detail zu gehen, unterschieden wir hier unter Kompetenzen als
Wollen wir Kompetenzen messen, so müssen wir uns klar werden, welcher Zeitraum der Kompetenzentwicklung in Betracht kommt.
Wir unterscheiden drei verschiedenen Zeiträume:
Wie immer, wenn es an die Anforderung von Beobachter/-innen geht, stellt sich die Frage der Objektivität und Subjektivität dieser Person.
Es gibt zum einen diejenigen, die die ganze Palette an modernen Messtheorien und Statistiken zum Einsatz bringen und nach objektiven Messverfahren suchen, also einer Kompetenzbeobachtung von außen.
Auf der anderen Seite stehen die anderen, die erklären, dass eine solche Objektivität für sozialwissenschaftliche Komponenten prinzipiell nicht zu erreichen sind und suchen nach subjektiven Einschätzungsverfahren.
Lt. der Literatur kann auch eine andere Vorgehensweise sinnvoll sein: In dieser Vorgehensweise wird auf eine Selbsteinschätzung von Kompetenzen, gleichsam mit einer Kompetenzbeobachtung von außen, großen Wert gelegt, d. h. subjektive Selbst- und Fremdeinschätzung wird gleiches Gewicht zugebilligt.
Ob wir uns für eine objektive oder subjektive Kompetenzbeobachtung bzw. Messung oder einer Kombination aus beidem entscheiden, hängt von der Klasse der zu beobachtenden Kompetenzen ab. Im Falle der fachlich-methodischen Kompetenzklasse wird eine objektive Kompetenzmessung in Betracht kommen. Bei den anderen Kompetenzklassen sind eher subjektiv orientierte Kompetenzmessungen sinnvoller.
Es sei hier zu erwähnen, dass bei der Kompetenzforschung auch auf quantitativen und qualitativen Aspekten eingegangen wird, die hier den Rahmen etwas sprengen.
Es gibt sehr viele Messverfahren mit unterschiedlichen Charakterisierungen und Beschreibungen, die aus den verschiedenen Richtungen der Psychologie herkommen (z. B. Persönlichkeits-, Arbeits- und Kommunikationspsychologie). In der Literatur nehmen sie tatsächlich mehrere hundert Seiten ein.
Um die richtige Methode für sich auszuwählen, müssen vorab folgende Fragen beantwortet werden³:
Wie so oft, wenn es um Hintergrundwissen von Kompetenzen geht, befrage ich die Diplom-Psychologin und Kompetenzexpertin Dr. Marianne Vollmer. Frau Dr. Vollmer beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit Kompetenzen, insbesondere den Familien- und Genderkompetenzen sowie den Kompetenzen von Menschen mit Behinderungen. Sie führt für Unternehmen selbst entwickelte Potenzialanalysen durch und berät Führungskräfte zur Sichtbarkeit und Nutzen von Kompetenzen in agilen Strukturen.
Frau Dr. Vollmer stellt folgende Grundsätzlichkeiten klar, die für meinen heutigen Blogbeitrag interessant sind:
"Man kann an Kompetenzen nur messen, was sichtbar ist oder sichtbar gemacht werden kann!"
Das bedeutet, dass Mitarbeiter/-innen viele Kompetenzen haben können, diese aber unsichtbar bleiben, solange sie mangels geeignetem Aufgabenprofil nicht gezeigt werden können. Um die Kompetenzen messen zu können, sind den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern solche Aufgaben zu geben, bei denen sie ihre Kompetenzen einbringen können.
Es wird in der Kompetenzbetrachtung zwischen übergeordneten und speziellen Kompetenzen unterschieden. Dabei wird die Bedeutung von übergeordneten Kompetenzen immer wichtiger, weil uns diese befähigen, auf Veränderungen einzugehen, was in einer agilen Welt unerlässlich ist. Die Bedeutung der speziellen Kompetenzen, die jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter für den spezifischen Job benötigen, wird hingegen abnehmen. Im Bereich der übergeordneten Kompetenzen unterscheiden sich im Übrigen große und kleine Unternehmen, Organisationen und Institutionen wenig, in der Spezialisierung naturgemäß viel.
Sofern Unternehmen sich aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung sich zu einer agilen Organisation entwickeln möchten oder bereits haben, ist es unerlässlich, bisherige Potenzialeinschätzungen zu überarbeiten, weil die bisherigen den alten Strukturen unterliegen und in einer neuen agilen Arbeitswelt keine Sinnhaftigkeit mehr haben.
Einige Unternehmen, Organisationen und Institutionen arbeiten nach wie vor mit der „klassischen“ analogen Mitarbeiterbeurteilung zum Ankreuzen. Hier werden ausgesuchte Kompetenzen in Bezug auf die Anforderungen der jeweiligen Stelle erfragt. Andere Unternehmen dagegen unterscheiden nur zwischen Mitarbeiter/-innen mit und ohne Führungsverantwortung. Die Ausprägung der Kompetenzen wird dann in einer 5er-Skala „kaum erfüllt“, „erfüllt mit Einschränkungen“, „erfüllt“, „erfüllt und übertroffen“ und „deutlich übertroffen“ von der Führungskraft beurteilt (es gibt auch 7er-Skalierungen). Teilweise wird zur Hilfestellung eine Art Operationalisierung der Kompetenzen bzw. Beispiele zur Verfügung gestellt, nach der sich die Führungskraft orientieren kann.
Nimmt man also mal Abstand von den vielen unterschiedlichen Kompetenzmessverfahren und betrachtet einfach mal die Praxis, so stellen sich für mich zwei zentrale Fragen:
In der Praxis erweist sich die Beantwortung dieser Fragen als nicht einfach, teilweise sogar richtig schwierig, je nachdem welche Kompetenz erfragt wird und wie groß unser Hintergrundwissen und Erfahrungsschatz sind.
Woran erkenne ich als Führungskraft die Kommunikationsfähigkeit der Person? Ad hoc kommen die meisten nun ins Grübeln. Nach einer Bedenkzeit werden beispielsweise folgende Grundlagen benannt:
Quellen: ¹, ², ³ John Erpenbeck/ Lutz von Rosenstil (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart. 2003.
Der Begriff der Kompetenzen gewinnt in der Arbeitswelt 4.0 eine immer größere Bedeutung: Wir stehen mit der Digitalisierung einem tiefgreifenden Wandel in der Gesellschaft, Technologien, Innovationen…
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